Ich lebe nicht, ich existiere.

Ich lebe nicht, ich existiere.

Alle schlafen, nur ich nicht. Die Uhr zeigt 5 und ich fühle mich erleichtert, weil die lückenhafte Nacht schon fast rum ist. „Es ist doch alles gut mit dir“, versuche ich mich zu beruhigen. Ich bin einfach nur früher wach. „Nein“, höre ich plötzlich meinen Bauch sagen. „Rede es dir nicht schön“, sagt er lauter und ich weiß, dass er recht hat.

Der Cursor blinkt und ich halte inne. Wie sage ich es am besten? Wie fange ich dieses Gefühl ein? Vielleicht mit ehrlicher Direktheit. Mit einem einfachen Satz.

Ich lebe nicht, ich existiere.

War das so schlimm? 5 Wörter, um 5 Uhr. Am liebsten würde ich jetzt das Notebook ausschalten. Aber das wäre feige und mir gegenüber nicht ehrlich. Ich kann mir das nicht antun, nicht meiner Beharrlichkeit und Zähigkeit, nicht meinem Durchhaltevermögen. Ich wundere mich manchmal selbst, wie sie mich auf ihren Händen tragen. Durch dick und dünn sind wir so oft gemeinsam gegangen.

Ich lebe nicht, ich existiere – aber nicht ohne Grund. Dem Alltag habe ich meine Lebendigkeit geschenkt. Ich tue und mache, aber ich gehe leer aus. Mein Lieblingswort heißt „später“, zumindest in Bezug auf mich. Ganz automatisch kommt es über meine Lippen, es tut gar nicht mehr so weh.

Ich habe aufgehört zu zeichnen, es könnte nicht gelingen. Ich habe aufgehört zu backen, es könnte nicht schmecken. Aus Angst, verletzt zu werden und meine Gefühle fließen zu lassen, hüte ich diese Dinge an einem sicheren Ort, die mein Herz berühren und mich lebendig machen. Die dicke Staubschicht liegt wie eine schützende Decke darüber und es ist still.

„Still ist es auch, wenn die Zeit rum ist“, sagt mir der Bauch. „Rede keinen Quatsch“, kontere ich. Ein kleines Zucken meines Mundwinkels löst in mir eine Lawine aus. Aus dem Zögern wird ein Lächeln, eine Verbindung zu mir selbst. „Danke“, sage ich zu meinem Bauch. „Du hast wie immer recht, ich sollte meine Zeit besser nutzen“.

Mein Blick wandert über einen Wäschekorb und dicke Ordner auf meinem Schreibtisch. An einem Holzkästchen mit angespitzten Bleistiften bleibt er hängen. Noch bin ich zaghaft, aber der Reiz zieht mich in seinen Bann. Der Cursor blinkt und ich halte inne. Wie sage ich es am besten? Vielleicht wieder ganz direkt… Ich mache jetzt mein Notebook aus und gehe zeichnen.

Autorin: Lisa Marie Albrecht
Datum: 11.02.2024

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Künstliche Intelligenz kann nicht an Burnout erkranken. Wir, im Kampf gegen sie, schon. Manchmal sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich will doch alles richtig machen. Dabei vergesse ich, an meine Bedürfnisse zu denken. Das Leben ist kein Wünsch-Dir-Was. Habe ich gehört. Diesen Moment mit meiner Familie werde ich bis zum letzten Tag in meinem Herzen tragen. Ich weiß noch nicht, wohin die Reise geht. Aber sie hat begonnen.