Manchmal sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Manchmal sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Ich sitze vor einem leeren Blatt und starre in die Luft. Der Cursor blinkt. Synchron dazu höre ich ein dumpfes Pochen in meinem Kopf. Ich lockere meinen Nacken, in der Hoffnung, dass alles ein bisschen leichter wird. Doch Fehlanzeige. Mein Kopf denkt gar nicht daran. Er fühlt sich so schwer an wie der Medizinball aus dem Sportunterricht in der Schule. Gibt es die überhaupt noch? Bis heute weiß ich nicht genau, wozu diese unförmigen Bälle überhaupt gut sind.

Ich fröstele und ziehe die rosa-geblümte Decke meiner Tochter bis zum Kinn. Das Thermometer, das genau neben mir hängt, zeigt 17 Grad. Vielleicht habe ich doch kein Fieber, aber eine ordentliche Erkältung auf jeden Fall. Dankbar über die selbstgenähten Stofftaschentücher, die meine Nase nicht mehr so rot färben, versuche ich diesen Moment auszuhalten. Ich bin noch etwas durcheinander. Vor einer halben Stunde sah die Welt hier anders aus. Meine Tochter saß mir gegenüber und ließ den ganzen Frust der Woche raus. Ich kenne das nur zu gut. Manchmal fühle ich mich wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Und wenn die Kapazität erreicht ist, fließen die Tränen.

Es ging um Ziele und Wünsche des Lebens und wie unerreichbar sie für meine Tochter erschienen. Sie hatte das Gefühl, irgendwo stecken geblieben zu sein und keinen Ausweg zu sehen. Auch davon kann ich ein Liedchen singen. Schon die ganze Woche schleiche ich um meinen Laptop herum und hoffe auf einen Geistesblitz oder zumindest einen Kuss der Kreativität. Doch mein Kopf ist blockiert, verstopft und schwer, kein Satz, nicht mal ein Wörtchen lässt sich da herauspressen. Das muss sich ändern, wenigstens bei meiner Tochter. Hoch motiviert griff ich also nach einem Block und Bleistift, während sie mir einen fragenden Blick mit dem Titel „Das glaubst auch nur du“ zuwarf. Ich wusste, in diesem Zustand sind alle Katzen grau, aber ich war guter Dinge.

Widerwillig antwortete sie auf meine Fragen, denn sie traute meinem Ansatz noch nicht. „Lass uns doch die Sache von der anderen Seite betrachten“, schlug ich vor, um Schwung reinzubringen. Es klappte. Zehn Minuten später saßen wir mit glühenden Wangen vor dem weißen Blatt und ließen die Ideen in der Luft herumwirbeln. Wir notierten, sortierten und misteten aus. Spannend war festzustellen, dass manche Wünsche gar nicht so wichtig waren wie zuerst gedacht. Andere wiederum bekamen eine höhere Priorität. Einige Gummibärchen später, als wir still und zufrieden das Blatt anguckten, kam er wieder, dieser Blick voller Hoffnung und Tatendrang. Meine Tochter fühlte sich klarer, nahm mich in den Arm und fragte: „Und was ist bei dir eigentlich los?“ Mir war klar, dass sie genau wusste, dass ich irgendwo feststeckte. Alleine mein Gesichtsausdruck ließ nichts anderes vermuten. „Ich glaube, ich weiß jetzt endlich, was ich schreiben will“, antwortete ich und atmete erleichtert aus.

Jetzt, nach dem der Text aus mir herausgeflossen ist, geht es mir deutlich besser. Mein Kopf ist nach wie vor wie ein Medizinball, aber irgendwie auch leichter. Manchmal muss man seine Perspektive wechseln, um wieder klar sehen zu können. Und falls du das liest: Danke, meine Große, das habe ich wirklich gebraucht.

Autorin: Lisa Marie Albrecht
Datum: 24.03.2024

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Ich will doch alles richtig machen. Dabei vergesse ich, an meine Bedürfnisse zu denken. Das Leben ist kein Wünsch-Dir-Was. Habe ich gehört. Diesen Moment mit meiner Familie werde ich bis zum letzten Tag in meinem Herzen tragen. Ich weiß noch nicht, wohin die Reise geht. Aber sie hat begonnen. Ich fühlte mich schon immer anders, aber an diesem Tag ganz besonders. Ich möchte schreiben, einfach schreiben, meine Gefühle fließen lassen und dabei Mensch sein.