Nervenprobe im Supermarkt

Nervenprobe im Supermarkt

Wir legen einen Boxenstopp vor einem Supermarkt ein. Unter Zeitdruck stehend quetschen wir uns mit dem Camper in eine Parklücke und ich verlasse fluchtartig den weißen Kastenwagen. Vor uns liegt ein wichtiger Termin. Die letzte Stunde standen wir magenknurrend im Stau und verpassten die Gelegenheit, uns ein ordentliches Mittagessen zu gönnen. Damit wir nach dem Termin nicht vor Hunger sterben würden, wollte ich mindestens noch Brot, einen Aufstrich und etwas Gemüse kaufen. Dankbar für die gute Sortierung der Lebensmittel im Supermarkt, legte ich die gefundenen Schätze in meinen Einkaufskorb. Ein Blick Richtung Kasse ließ mich durchatmen - es war kaum was los. Mein Magen machte einen Hüpfer. „Vielleicht können wir vor dem Termin sogar einen Happen essen“, schoss es mir durch den Kopf. Ich eilte zur Kasse und legte die Sachen aufs Band. Vor mir stand eine Frau und hielt zwei Tüten Apfelringe in der Hand. „Ich möchte diese Packung umtauschen“, nörgelte sie. An dem Gesichtsausdruck der Kassiererin sah ich, dass sie nichts verstand und innerlich die Augen rollte. „Was stimmt denn mit der Ware nicht?“, wollte sie wissen. Denn tatsächlich sah die Packung ganz normal aus. „Als ich sie aufmachten wollte, schien sie mir leichter als üblich zu sein“, erklärte die Kundin und wog demonstrativ die beiden Tüten in den Händen. „Spüren Sie es? Diese Tüte ist leichter und die andere etwas schwerer. Ich bezahle doch nicht für Luft!“, verkündete die Kundin entschlossen. Die Kassiererin überlegte und hatte einen Vorschlag. „Sie könnten die beiden Tüten an der Kundenwaage wiegen“, sagte sie, froh über ihre Idee. „Bitte nicht“, dachte ich und warf einen Blick auf mein Handy. Okay, die Zeit für einen Happen konnte ich mir abschminken. Doch die Kundin lehnte den Vorschlag mit der Waage ab und nahm die neue Packung Apfelringe. „In Ordnung, Sie haben ja bereits bezahlt“, sagte die Kassiererin und versteckte die angeblich zu leichte Tüte hinter die Kasse. „Bestimmt will sie die Ware später selbst einmal wiegen“, dachte ich und freute mich, dass es endlich weiter ging. „Das kommt noch dazu“, sagte die Kundin und zeigte auf eine Blumendeko. „Das macht 9,90 Euro bitte“, hörte ich die Kassiererin sagen. Während die Frau in ihrer Tasche kramte, studierte ich das Kassenregal. „Ich habe ein bisschen Kleingeld dabei“, sagte die Kundin und ein metallisches Scheppern ertönte. Ruckartig drehte ich meinen Kopf und glaubte nicht, was ich sah: Eine Plastiktüte voller Münzen. „Ich habe nachgezählt, das stimmt so“, ergänzte die Kundin. Man hätte eine einzelne Münze fallen hören, so still war es an der Kasse. Die Kassiererin holte tief Luft und schaute in meine Richtung. Hinter mir standen bereits zwei weitere Kunden. „Dann lassen Sie mich mal nachzählen“, hörte ich sie sagen und befand mich kurz vor einer Ohnmacht. Sollte ich alles liegen lassen und einfach gehen? So etwas macht man doch nicht! Ich begann zu schwitzen und kämpfte mit meinem Gewissen. Das Loch im Bauch knurrte mich an und für eine Sekunde blitzte die Idee auf, mir direkt an der Kasse ein Brot zu schmieren. Während ich einen inneren Kampf führte, zählte die Kassiererin das Kleingeld. Rote Flecken schmückten ihr Gesicht vor Stress und Unbehagen, ihre Finger zitterten. „Das ist hier keine Wechselstube!“, rief jemand hinter mir ziemlich verärgert. Ich musste an ein Gespräch mit einer guten Freundin denken. Sie erzählte mir, dass ihre Schnelligkeit als Kassiererin »von oben« gemessen wird. „Hoffentlich bekommt die Kassiererin keinen Ärger“, überlegte ich. Alle Augen waren auf die letzten Münzen gerichtet, die von der Kassiererin mit langen Fingernägeln aufgepickt wurden. Als die letzte Münze in der Kasse landete und ein deutliches Klack der Kassette zu hören war, ertönte ein lautes Klatschen. Ganz ehrlich, Hut ab vor jeder Kassiererin und jedem Kassierer dieser Welt.

Autorin: Lisa Marie Albrecht
Datum: 20.04.2024

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Für Außenstehende ist es vielleicht lächerlich. Einfach loszuleben, ist gar nicht so einfach. Künstliche Intelligenz kann nicht an Burnout erkranken. Wir, im Kampf gegen sie, schon. Manchmal sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich will doch alles richtig machen. Dabei vergesse ich, an meine Bedürfnisse zu denken. Das Leben ist kein Wünsch-Dir-Was. Habe ich gehört.