Für Außenstehende ist es vielleicht lächerlich.

Für Außenstehende ist es vielleicht lächerlich.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und schaue hoch zum Himmel. „Wow!“, staune ich und bewundere den Mond, der mit einer perfekten Sichelform zu mir herunter zwinkert. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, denn dieser Abend hat etwas an sich, was ich noch nicht ganz fassen kann. Neugierig betrachte ich die Sterne, die sehr intensiv dort oben funkeln. Ganz ehrfürchtig stehe ich da und rolle ein Papierkügelchen zwischen den Fingern, das ich in meiner Jackentasche gefunden habe. Es ist verrückt, aber diese Geste beruhigt meine angekratzten Nerven, die sich schon den ganzen Tag wie Schmirgelpapier anfühlen.

Ich hasse es, zwischen zwei Welten zu hängen, schießt es mir durch den Kopf. Ich bin hier einfach nicht zu Hause, obwohl doch alles so vertraut ist. Der Bauch spürt das sehr genau, der Kopf versucht ihn jedoch mit aller Kraft auszutricksen, indem er die Gefühlswelt lahm legt und die Angst zusätzlich mit ins Boot holt. Und dann gibt es noch diese wunde Stelle, die schon lange blutet… Der große Umzug in meiner Kindheit, aus der Ukraine nach Deutschland, der mir ganz schön zusetzte. Auf einen Schlag verlor ich fast alles, was mir wichtig war. Meine Großeltern, meine Freunde und meine liebste Straßenhündin mit ihren Welpen. Das Trauma kommt immer hoch, sobald ich die Koffer packe - ob innerlich oder in echt. Und ich kann nichts dagegen tun, zumindest fühlt es sich so an.

Ich versuche, mein inneres Kind zu beruhigen, erkläre, dass der Umzug damals wichtig war und versorge meine Wunde liebevoll mit einem Pflaster. Damals passierte der Umzug plötzlich, mein Kopf kam mit der großen Veränderung nicht mit und selbst am neuen Ort hatte er viele Jahre nicht die Möglichkeit, diese schmerzhaften Lücken zu füllen, die die Verluste verursacht haben. Manchmal hilft es mir, Tränen fließen zu lassen, die ganze Traurigkeit anzunehmen und Stück für Stück zu verarbeiten. Während ich so da stehe und in den Himmel gucke, trifft es mich wie ein Blitz. Für Außenstehende ist es vielleicht lächerlich, aber für mich bedeutet das die Welt. Der Mond, er ist immer da. Wenn ich hochblicke, egal wo ich bin, sehe ich immer den gleichen Mond. Er war schon in meiner Kindheit, der gleiche Mond, und er wird mich zu neuen Orten begleiten, wohin ich auch gehe.

Ich schmunzel über diese Erkenntnis, was für eine bahnbrechende Entdeckung! Aber so simpel sie auch ist, so kraftvoll ist sie für mich persönlich. Ich fühle mich erleichtert und grinse vor mich hin. Ich habe doch nicht alles verloren, ich habe nur nicht richtig hingesehen. Damit habe ich heute Abend nun wirklich nicht gerechnet.

Autorin: Lisa Marie Albrecht
Datum: 14.04.2024

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Einfach loszuleben, ist gar nicht so einfach. Künstliche Intelligenz kann nicht an Burnout erkranken. Wir, im Kampf gegen sie, schon. Manchmal sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich will doch alles richtig machen. Dabei vergesse ich, an meine Bedürfnisse zu denken. Das Leben ist kein Wünsch-Dir-Was. Habe ich gehört. Diesen Moment mit meiner Familie werde ich bis zum letzten Tag in meinem Herzen tragen.